Bildungsrevolutionjetzt!
BILDUNGSREVOLUTIONJETZT!
Das Ergebnis der viel diskutierten PISA-Studie fällt auch für unser Bundeslandernüchternd aus: Baden-Württemberg befindet sich zwar im innerdeutschenVergleich auf einem der oberen Ränge, doch international reicht es nur für einenPlatz im Mittelfeld. Auch zeigt die Studie deutlich, was für ein erschreckenderZusammenhang zwischen sozialer und ethnischer Herkunft der SchülerInnenund deren Bildungschancen besteht. Die GRÜNE JUGEND Baden-Württemberg will diese Defizite unseresSchulsystems nicht länger hinnehmen. Denn die Schulbildung ist in unsererGesellschaft von zentraler Bedeutung und wird in der Zukunft immer wichtiger,da sie über die gesellschaftliche, ökonomische und politische Teilhabe einesMenschen entscheidet. Unser bisheriges Schulsystem schöpft die Fähigkeiten vieler junger Menschenüberhaupt nicht aus. Zu viele schaffen den Schulabschluss nicht und die Quotederer, die nur das unterste Leistungsniveau erreichen, ist viel zu groß. Es ist ein Skandal, dass ein Kind aus einer AkademikerInnenfamilie eine viermalso große Chance hat einen höheren Bildungsabschluss zu erreichen, als einKind mit gleichen Fähigkeiten aus einer ArbeiterInnenfamilie. Auch Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund zählen zu denVerliererInnen unseres Schulsystems: Deutlich überrepräsentiert sind solcheSchülerInnen an Haupt- und Sonderschulen, an Gymnasien dagegen sind siedurchgängig unterrepräsentiert. Die GRÜNE JUGEND Baden-Württemberg fordert deshalb dieSchulpolitikerInnen aller Parteien dazu auf, die ideologischen Scheuklappenabzulegen und nicht länger am dreigliedrigen Schulsystem festzuhalten. DiesesRelikt aus der Zeit der Ständegesellschaft des 19. Jahrhunderts zementiertsoziale Ungleichheit und verbaut damit die Bildungs- und Lebenschancen jungerMenschen.
Vier Jahre gemeinsamen Lernens in der Grundschule sind viel zu kurz. Nach dervierten Klasse werden die SchülerInnen bisher sortiert und auf dieweiterführenden Schulen verteilt. Der enorme Druck, der auf Seiten derSchülerInnen, Eltern und LehrerInnen entsteht, vergiftet das pädagogische Klimain der Grundschule. Viele Kinder sind anschließend von sich selbst enttäuscht,weil sie es nicht „geschafft“ haben. Tatsächlich gibt häufig jedoch nicht dieBegabung, sondern die soziale und ethnische Herkunft den Ausschlag für denBildungserfolg. Wir wollen das Sortieren der Kinder in Schubladen abschaffen,weil es den individuellen Lernfähigkeiten einerseits und den komplexenAnforderungen der Wissensgesellschaft andererseits nicht gerecht wird. Ein kluges Baden-Württemberg muss von den PISA-SiegerInnen ausSkandinavien lernen. Wir setzen uns für ein ganz neues - ja beinaherevolutionäres - Schulmodell ein: Die neunjährige Basisschule. Diese Schule isteine Schule ohne Ausgrenzung. Sie fördert die Begabungen, Talente undStärken aller Kinder individuell und ermöglicht somit auch Spitzenleistungen, dieunser bisheriges Schulsystem verhindert, weil es zu sehr mit der Sortierung derSchülerInnen beschäftigt ist. Die Basisschule erkennt die Heterogenität ihrerSchülerInnenschaft an und nimmt sie als Herausforderung und Chance an. Esmuss dabei selbstverständlich sein, dass auch behinderte Kinder diese Schulebesuchen können. Zur besonderen Unterstützung von Kindern mit Behinderungen, Lernschwächenoder solchen mit besonders großer Begabung, wollen wir SonderpädagogInnenan der Schule einsetzen. Die Einbeziehung von SchulsozialarbeiterInnen undSchulpsychologInnen rundet das Konzept der individuellen Förderung für alleSchülerInnen ab.Die neue Unterrichtskultur an dieser Schule, ist geprägt von Methodenvielfalt undvon selbst bestimmten und eigenverantwortlichen Lernprozessen derSchülerInnen. Die Basisschule soll die Lust auf Leistung erhalten und fördern,
anstatt sie durch Notendruck zu zerstören. Das „Sitzenbleiben“ und die bisherigeForm der Notengebung wollen wir abschaffen. Stattdessen müssen alternativeBewertungsverfahren für SchülerInnenleistungen entwickelt werden, wiebeispielsweise eine Art Lernberichterstattung, in der die Lernfortschritte derSchülerInnen festgehalten werden. Dadurch ergibt sich ein viel differenzierteresBild von der schulischen Entwicklung eines Kindes, als es durch die Vergabe vonbloßen Ziffern (Noten) möglich ist. Im Anschluss an die gemeinsame Basisschule findet dann eine Differenzierungin der Oberstufe statt. Entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit oder ihrenNeigungen können junge Menschen entweder eine Ausbildung im dualenSystem, eine allgemein bildende gymnasiale Oberstufe, ein beruflichesGymnasium oder eine berufliche Vollzeitschule besuchen. Mit der Realisierung dieses Schulmodells muss unserer Ansicht nach dieflächendeckende Einführung von Ganztagesschulen in Baden-Württembergeinhergehen.Natürlich darf der Begriff „Ganztagesschule“ nicht so verstanden werden, dasskünftig das, was wir heute unter Schule verstehen, einfach noch ein paarStunden länger am Tag dauert. Vielmehr ist eine pädagogische Umgestaltungder Schule nötig. Es muss dabei neben der Unterrichtszeit auch fest eingeplanteRuhephase für die SchülerInnen geben, sowie die Möglichkeit zur Teilnahme anmusischen, künstlerischen, sportlichen und politischen Aktivitäten. Dafür wollenwir eine Kooperation der Schulen mit den örtlichen Institutionen und Vereinen(Musikschulen, Sportvereine, Umweltschutzorganisationen) ermöglichen. Die Schule ist ein Ort der Sozialisation Jugendlicher. Sie spielt damit einewichtige Rolle bei der Herausbildung von Toleranz und besonders bei derPersönlichkeitsbildung junger Menschen. Diesen Tatsachen muss auch derUnterrichtsstoff gerecht werden. Neben einem verantwortungsvollen Umgang mitder Umwelt, die wertneutrale Behandlung alternativer Lebensentwürfe und die
vorurteilsfreie Aufklärung über Drogen muss „soziales Lernen“ bei derVermittlung von Wissen ebenfalls einen hohen Stellenwert haben.“Beschlossenauf derLandesmitgliederversammlungam10.Mai2006