Kommunalpolitik stärken! - Mehr ermöglichen!
DIESER ANTRAG WURDE VON DER LANDESMITGLIEDERVERSAMMLUNG AM 7. MAI 2023 IN FREIBURG BESCHLOSSEN.
Die Kommunale Ebene stellt nach dem Subsidiaritätsprinzip die Ebene dar, die die Beschlüsse des Bundes und der Länder schlussendlich umsetzt und direkt vor Ort konkrete Veränderung bewirkt. Daher ist es wichtig, dass sowohl die kommunalen Gremien als auch die Verwaltungen fachlich und personell vielfältig aufgestellt sind, da nur so die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden können. Gerade weil Gemeinderät*innen, Beigeordnete und Bürgermeister*innen so relevant sind, tritt hier jedoch die Problematik der tatsächlichen Zusammensetzung kommunaler Gremien und Ämter umso stärker ans Licht.
Während Frauen etwas mehr als die Hälfte der gesamten Bevölkerung ausmachen, sind nur etwa 37% aller Ratsmitglieder weiblich. Bei den Bürgermeister*innen sieht es mit ca. 12% nicht besser aus. Bei der Repräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund sieht es noch schlechter aus. Während in Deutschland etwa 26% der Menschen einen Migrationshintergrund haben, liegt ihr Anteil in kommunalen Gremien bei gerade mal 3%. Auch junge Menschen sind in kommunalen Gremien und Führungspositionen in der Verwaltung katastrophal unterrepräsentiert. Gerade einmal etwa 11% der Ratsmitglieder sind unter 40 Jahren alt, obwohl diese Gruppe 45% aller Menschen in Deutschland ausmacht. Und Menschen mit Behinderungen sind so unterrepräsentiert,dass es nicht mal verlässliche Zahlen gibt. Anhand dieser Zahlen kann man gut erkennen, dass die aktuelle Lage in den kommunalen Gremien alles andere als zufriedenstellend ist.
Kommunale Politik und kommunale Ämter müssen zugänglicher werden! Sowohl für FINTA*-Personen und Menschen mit Migrationshintergrund als auch explizit für junge Menschen.
Die Digitalisierung ist mittlerweile auf zahlreichen Ebenen unserer Gesellschaft angekommen. Viele einfache Botengänge werden erleichtert und gerade in der Wirtschaft können Arbeitnehmer*innen enorm davon profitieren. Genauso könnten auch kommunale Mandatsträger*innen durch digitale Konzepte unterstützt werden. Zum einen stellen Hybride Sitzungen mittlerweile kaum noch eine technische Herausforderung dar, bedeuten aber für Teilnehmenden eine enorme Erhöhung der zeitlichen Flexibilität und eine Minderung von Hürden für die Teilnahme an Sitzungen.
Auch für Mandatsträger*innen für die sich die An- und Abreise schwierig gestaltet, würde dies eine massive Hilfe bedeuten, vor allem für Personen, die auf den ÖPNV angewiesen sind und bei späten Sitzungen keine Verbindung mehr bekommen. Hybride Sitzungen würden also die Teilnahmefähigkeit an Sitzungen und somit die direkte Ausübung des kommunalen Mandats fördern, weshalb wir fordern, dass Kommunen ihren Gemeinderät*innen eine Möglichkeit zur digitalen Teilhabe an Sitzungen anbieten müssen und im selben Zuge ihr Personal sowie die Mandatsträger*innen darin zu schulen.
Aber nicht nur die Teilnahme an Sitzungen selbst kann durch digitale Konzepte verbessert werden, auch die Qualität der politischen Arbeit kann davon profitieren. Um eine optimale Qualität von Sitzungen zu gewährleisten müssen die Mandatsträger*innen einen einfachen und schnellen Zugang zu ihren Sitzungsunterlagen bekommen. Dies kann durch Ratsinformationssysteme oder vergleichbare Programme gewährleistet werden. Zudem profitieren hier nicht nur Mandatsträger*innen, sondern auch Bürger*innen erhalten durch derartige Systeme einen direkten und unkomplizierten Zugang zu kommunalpolitisch relevanten Informationen. Diese können natürlich je nach Sensitivität der Daten nur für Mandatsträger*innen oder für die Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Dementsprechend würde sich ein derartiges System nicht nur positiv auf die Qualität von Sitzungen auswirken, sondern auch die politische Teilhabe der Bevölkerung stärken. Wir fordern daher, dass digitale Informationssysteme, die sowohl Mandatsträger*innen als auch Bürger*innen zur Verfügung stehen sollen, in allen Kommunen ab 2000 Einwohner*innen verpflichtend eingeführt werden. Wir fordern, dass im Zuge der Etablierung solcher Systeme die Aktualität, die Barrierefreiheit und die einfache Bedienbarkeit des Systems berücksichtigt werden.
Zudem fordern wir, dass Kommunen die Öffentlichkeitsarbeit und speziell die Social Media Arbeit der Fraktionen unterstützen. Kommunen sollen, bei Möglichkeit, Gemeinderatssitzungen live übertragen und diese auch speichern. So ist es einfacher für Rät*innen, auch bei Abwesenheit, den Sitzungen zu folgen und auch einfacher für Bürger*innen die Entscheidungsfindung des Gemeinderats nachzuvollziehen.
Ob und wie viel Geld Mandatsträger*innen für die Ausübung ihres Mandats in Form von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern bekommen, ist in jeder Kommune unterschiedlich. Wir fordern daher einheitliche Regeln für Aufwandsentschädigungen/Sitzungsgeld. Für Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder soll eine gesetzliche Mindesthöhe festgelegt werden und auch die Auswirkung der Sitzungsdauer auf das Sitzungsgeld soll vereinheitlicht werden.
Auch in kleineren Kommunen muss für Fraktionen genügend Geld zur Verfügung stehen, um zusätzliche personelle Unterstützung finanzieren zu können.
Wir fordern eine unabhängige Stelle beim Gemeinde- bzw. Landkreistag, welche Mandatsträger*innen zu Rechtsfragen, zum Beispiel bei größeren Diskrepanzen zwischen Mandatsträger*innen und Verwaltung beraten kann. Zudem wünschen wir uns mehr zielgruppenspezifische Bildungsangebote für grüne Kommunalpolitiker*innen. Hier wären Seminare für einzelne Aufsichtsräte (z. B. Sparkassen, Abfallwirtschaft, Krankenhäuser, Stiftungen, Verkehrsverbünde) oder für Personen in fachspezifischen Gremien wichtig.
Es muss jeder Person möglich sein, ein kommunales Mandat auszuüben, unabhängig ihres Berufs oder ihres Einkommens. Wir fordern daher, dass die aktuell geltenden gesetzlichen Freistellungsregelungen in der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung konkretisiert und ausgeweitet werden und dass auf Mandatsträger*innen in Schule, Ausbildung oder Studium mehr Rücksicht genommen wird. Wir fordern daher, dass neben Arbeitnehmer*innen und Beamt*innen auch Auszubildende, Schüler*innen und alle Studierenden einen Rechtsanspruch auf Freistellung für die Ausübung des Mandats bekommen. Arbeitnehmer*innen, Beamt*innen, Auszubildenden und dual Studierenden ist die Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge bzw. des Gehalts bzw. der Ausbildungsvergütung zu gewähren.
Die Bildungseinrichtungen sollen bei der Terminplanung die Gremiensitzungen ihrer Schüler*innen, Auszubildenden und Studierenden berücksichtigen, ist dies nicht möglich, sollen die Gremiensitzungen verschoben werden. Den Schüler*innen, Auszubildenden und Studierenden darf durch die Ausübung ihres Mandats kein Nachteil entstehen. Für Studierende mit einem kommunalpolitischen Mandat sollen außerdem dieselben Regelungen bezüglich Regelstudienzeit und Prüfungsfristen gelten wie für Angehörige von satzungsmäßigen Gremien der Hochschulen oder Studierendenwerke. Des Weiteren ist es an der Zeit, im Hochschulzulassungsgesetz ein kommunalpolitisches Mandat als Grund für eine Ortsgebundenheit anzuerkennen, um die Vereinbarkeit von Studium und Kommunalpolitik besser zu ermöglichen.
Um sicherzustellen, dass es jeder Person möglich ist, ein kommunales Mandat auszuüben, muss die zeitliche Vereinbarkeit von Gemeinderat und Schule, Ausbildung oder Arbeit gewährleistet sein. Konkret bedeutet dies, dass Sitzungen nicht vor 14.00 Uhr beginnen dürfen und spätestens um 22.00 Uhr enden müssen. Um strukturelle Benachteiligungen zwischen dem ländlichen und dem städtischen Raum zu verhindern, sollen Sitzungszeiten so liegen, dass auch in ländlichen Gebieten ein Hin- und Wegkommen zur Sitzung ohne Auto möglich ist.
Außerdem sollen alle Sitzungstermine mindestens 8-12 Wochen vor den jeweiligen Sitzungen, sofern möglich, verbindlich beschlossen werden, damit Arbeitnehmer diese zur Berücksichtigung bei der Erstellung von Dienstplänen ihren Arbeitgebern mitteilen können.
Sowohl bei der Vorbereitung von Sitzungsvorlagen als auch bei der Umsetzung von Beschlüssen kommt der Verwaltung eine essenzielle Rolle zu. Eine Ratsmehrheit ist wichtig, um grüne Politik zu machen. Um die Politik aber auch umzusetzen, brauchen wir mehr Grüne und grün-nahe Menschen in den Verwaltungen, vor allem in Führungspositionen. Eine der größten Quellen von Führungskräften für die Verwaltung sind die Verwaltungshochschulen in Ludwigsburg und Kehl. Wir müssen es schaffen, einen dauerhaften Fuß in die Türen der Hochschulen zu bekommen, uns mit grünen und grün-nahen Absolventen der Hochschulen zu vernetzen und so nach und nach einen Pool an potentiellen Führungskräften aufzubauen.
Über ein Drittel der Wählenden in Baden-Württemberg wählt grün. Das muss sich auch in den Rathäusern, Landratsämtern und Regierungspräsidien widerspiegeln. Hierfür brauchen wir Menschen mit entsprechender Ausbildung, die wir als Kandidat*innen ins Rennen schicken können, denn wenn niemand Grünes antritt, kann auch niemand Grün wählen!