Neue demokratische Kultur – Wir machen den Anfang!
NEUE DEMOKRATISCHE KULTUR - WIR MACHEN DEN ANFANG!
Immer wieder wurden in den letzten Jahrzehnten wichtige politische Entscheidungen durch denDruck der Bevölkerung erzwungen. Es zeigt sich, dass politische Parteien oft auf den Druck derBevölkerung reagiert haben und eigene Ansichten revidieren mussten. Jene Macht des Volkes gilt es zu nutzen, wenn festgefahrene politische Grabenkämpfe odergenerelle Kompromissunfähigkeit auch vor wichtigen Entscheidungen nicht Halt machen.Es ist höchste Zeit, die Formen der BürgerInnenbeteiligung in unserem Land zu verändern undBürgerInnen stärker in politische Prozesse mit einzubeziehen, um die Meinungsbildunganzuregen und eine lebendige Demokratie zu schaffen. Der Politikverdrossenheit, welcheunsere Demokratie bedroht, muss aktiv und bewusst entgegengearbeitet werden.Wir wollen die Mitbestimmungsmöglichkeiten für alle Bürgerinnen und Bürger verbessern. Dochdies erfordert eine Umgestaltung von bestehenden Strukturen. Deshalb wollen wir nicht nuraufzeigen, wie die Möglichkeiten der BürgerInnenbeteiligung erhöht werden können, sondernauch welche notwendigen Strukturen hierfür geschaffen werden müssen. Durch ein höheres Maß an Mitbestimmungsmöglichkeiten für alle Bürgerinnen und Bürgererhoffen wir uns eine Politisierung der Gesellschaft. Parteikämpfe und festgefahreneMeinungsmuster müssen bei der Entscheidung über Sachfragen in den Hintergrund rücken. Was die Versorgung der Bevölkerung mit Informationen betrifft, muss sich noch Vieles ändern:Mitbestimmung kann nicht gelebt werden, wenn die notwendige Vorbildung und Heranführungnoch aussteht. Das Volk muss umfassend und unabhängig informiert und darauf vorbereitetwerden, aktiv an politischen Prozessen teilzunehmen. Nur so kann vermieden werden, dassfinanziell stärkere und einflussreichere Akteure sich durch erworbene Mittel einen Vorteilverschaffen, oder durch populistische Agitation ein verzerrtes Meinungsbild erreicht wird.Diese Veränderung wird nicht von heute auf morgen zu bewältigen sein. Der Prozess, breiteBürgerInnenbeteiligung zu ermöglichen, will durchdacht und in vielen Bereichen derGesellschaft angestoßen und vorbereitet werden. Doch lasst uns bereits heute den Grundsteindafür legen und gemeinsam für eine neue politische Kultur durch mehr Partizipation einstehen.Mehr Demokratie in den arteienWirstreitennichtnurfüreinedemokratischereundoffenereGesellschaftund Politik,sondernauchfürdemokratischere Parteien.Wirsindder Meinung,dassstrittige und für die ParteiwichtigeThemen,wiezumBeispielderUmgangmitdenStudiengebühren,vonallenMitglie-dernentschiedenwerden sollten.DenndieInhalteeiner Parteimüssenimmerdiethemati-schenVorstellungenaller Mitgliederdieser Parteimöglichstgenauwiderspiegeln. Umdieszuermöglichen,drängenwiraufeineVeränderungder Urabstimmungsregelung,beiwelcherdieHürdenzur DurchführungeinerUrabstimmunggesenktwerden. RegionalkonferenzenhaltenwirineinerdemokratischenParteistruktur für selbstverständlich. Sie sind zur Gewährleistungvon Partizipations- und Beteiligungsmöglichkeiten für die Parteimitglieder von entscheidenderBedeutung und sorgen überdies für einen transparenten Informationsfluss.DenMitgliedernsolles ermöglichtwerden, sich dort direktmit ihren Ideen, Meinungen und Anliegen einzubringen.Beispielsweise reicht es aus unserer Sicht nicht aus, wenn am Ende eines ProgrammprozessesnurüberdasErgebnis, den bereits vollständig ausformulierten Programmentwurf, abgestimmtwerden kann Wir halten es für sinnvoll, wenn im Rahmen von breit angelegten und partizipati-ven inhaltlichen Debatten auch der Sachverstand von Nicht-Parteimitgliedern, FachexpertIn-nen, Verbänden und anderen Gruppierungen einbezogen wird.InParteiengibteseinzelnePositionen und Funktionen,wiedie des/derSpitzenkandidaten/inzu einer Wahl,welchedie Parteibesondersstarknachaußenrepräsentieren. Daherhaltenwir esfürsinnvoll, dass solche personellen Entscheidungen von allen Mitgliedern – ebenfalls überdas Instrument der Urabstimmung – getroffen werden.Wenn die Parteien die Beteiligungsmöglichkeiten ausbauen wollen und somit das politischeSystem auf eine breitere Legitimationsgrundlage stellen möchten, ist dies nur konsequent. Eskann nicht sein, dass wir die Beteiligungsmöglichkeiten ausbauen und von den Bürgerinnenund Bürgern mehr Engagement verlangen, bei uns selbst aber, also auch innerhalb unsererMutterpartei, eine demokratische Weiterentwicklung verschlafen.BürgerInnenbeteiligung auf kommunaler EbeneAuf kommunaler Ebene begegnen die Bürgerinnen und Bürger der Politik direkt, denn geradehier werden Entscheidungen beschlossen und umgesetzt, die die Bürger und Bürgerinnen vorOrt zu Betroffenen machen. Doch leider ist es so, dass diese kaum ihr verfassungsmäßiges Recht auf Mitsprache äußernkönnen. Die Wege zur Beteiligung sind Ihnen durch Mauern der Ignoranz versperrt. Wirmüssen deshalb vor allem in den Kommunen für eine transparentere Politik streiten und dieBeteiligungsmöglichkeiten massiv ausbauen. Auch die bestehenden Strukturen, wie z.B.Gemeinderäte und das Amt der Bürgermeisterin und des Bürgermeisters müssen dringendmodernisiert und reformiert werden. Deshalb setztsichdieGRÜNEJUGENDBaden-Württembergdafürein,diewillkürlichenAltersgrenzenbeidenBürgermeisterwahlenabzuschaffen.Wir fordern die Landesregierung dazu auf, die Gemeindeordnung dahingehend zu ändern, dassdurch eine absolute Mehrheit des Gemeinderates, oder durch die Forderung von 5% derWahlberechtigten einer Gemeinde, ein BürgerInnenentscheid einberufen werden kann. Hierbeisollen die Bürgerinnen und Bürger der jeweiligen Gemeinde mit einer absoluten Mehrheit auchdie Abwahl der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters bezwecken können. Der Gemeinderatist dann aufgefordert den Abwahlantrag zu prüfen und darüber abzustimmen. Falls sich eineMehrheit von zwei Dritteln des Gemeinderates findet, ist die Bürgermeisterin oder derBürgermeisterin abgewählt. Scheitert die Abwahl der Bürgermeisterin oder des Bürgermeistersan der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit im Gemeinderat, so sind die Bürgerinnen und Bürgerdazu aufgerufen in einem BürgerInnenentscheid mit absoluter Mehrheit über die Abwahl zuentscheiden. Ein Abwahlantrag soll aber erst nach Vollendung des ersten Amtsjahres derBürgermeisterin oder des Bürgermeisters möglich sein, und soll begründet sein. Scheitert dieAbwahl an der erforderlichen Mehrheit der Stimmen, so soll ein erneutes Abwahlverfahren erstnach einer Sperrfrist von drei Jahren möglich sein. Ein Beteiligungsquorum soll es dabei nichtgeben. Die BürgerInnen bestimmen ihr Oberhaupt und sollten auch das Instrument dazuhaben, ihm ihr Vertrauen zu entziehen. Durch eine Amtszeit von acht Jahren wird ihre Machtzudem auf lange Zeit manifestiert. Daher fordern wir eine Verkürzung auf sechs Jahre. DieMacht der BürgermeisterInnen wird somit auf ein demokratisch vertretbares Maß reduziert.Wir wollen mehr Mitspracherecht für alle Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen. Egal objung oder alt, MigrantIn oder Nicht-MigrantIn. Alle müssen in neue Beteiligungsformeneinbezogen werden. Dazu müssen wir neue Möglichkeiten der Mitsprache entwickeln undprüfen. Doch auch schon heute existieren Instrumente auf kommunaler Ebene, die jedochaufgrund von enormen Hürden teilweise seit ihrem Bestehen noch nie genutzt worden sind.So existiert laut Gemeindeordnung, durch den sogenannten BürgerInnenantrag, dieMöglichkeit des Antrages auf eine BürgerInnenversammlung und auf die verpflichtendeBehandlung eines bestimmten Themas in einer Gemeinderatssitzung. Diese beiden Verfahrenfinden in Baden-Württemberg jedoch kaum Anwendung. Dies ist erschreckend, bergen sie dochein enormes Aktivierungs- und Beteiligungspotenzial. Zur Verbesserung dieses Zustands, solltedas existierende Unterschriftenquorum für die Initiierung eines solchen Antrages von 10% auf5% gesenkt werden. Somit soll das Recht der BürgerInnen auf Mitsprache und Einspruchsrechtermöglicht werden. Zukünftig sollen auch Menschen ohne deutsche StaatsbürgerInnenschaft,sowie Kinder und Jugendliche antragsberechtigt sein. Wird zum Beispiel ein neuerKindergarten gebaut, ist es doch nur selbstverständlich, dass auch die Kinder, die diesenKindergarten besuchen, mit entscheiden und Änderungswünsche vortragen dürfen. AuchMenschen ohne deutsche StaatsbürgerInnenschaft müssen Gehör finden. Denn nur, wenn wiralle Menschen in den Kommunen miteinbeziehen, gewährleisten wir demokratischereKommunen und eine offenere und transparentere Kommunalpolitik.
Bisher verhält es sich in der Praxis so, dass der Gemeinderat aufgrund einer Ausschlusslistebestimmte Themen eines BürgerInnenantrags ausschließen kann. In Zukunft soll auf solcheine undemokratische Liste von Themenverboten verzichtet werden. Die Einwohnerinnen undEinwohner einer Kommune müssen das Recht und die Möglichkeit haben, bei jedem Themamitzureden und mitzubestimmen.Konsequenzen und Folgen von Gemeinderatsbeschlüssen werden oft erst einige Zeit später klarersichtlich. Daher sollte die Einspruchsfrist bei Anträgen gegen Gemeinderatsbeschlüsse vonbisher zwei auf vier Wochen verlängert werden. Nach Ablauf dieser Frist steht den BürgerInnender Verwaltungsrechtsweg offen, um sich gegen die Beschlüsse zur Wehr zu setzen.Auch bei Abstimmungen in Kommunen, also den BürgerInnenentscheiden, müssen die Regelngrundlegend verändert werden. Die Ausschlusskatalog bei BürgerInnenentscheiden soll inZukunft stark eingeschränkt werden. So haben Bürgerinnen und Bürger bisher sowohl nach derGemeindeordnung1 als auch nach ständiger Rechtsprechung des VGH2 nicht einmal dieMöglichkeit über örtliche Bauleitpläne und Bauvorschriften zu entscheiden. Dies ist jedoch einezentrale Aufgabe der Gemeinde, bei der auch die Bürgerinnen und Bürger mitentscheidensollten. Die GRÜNE JUGEND Baden-Württemberg fordert deshalb endlich die rechtlichenRahmenbedingungen zu schaffen, dass dies in Zukunft auch möglich sein wird.Damit die EinwohnerInnen einer Kommune auch die Chance haben einenBürgerInnenentscheid herbeizuführen, muss das Quorum für das vorausgehendeBürgerInnenbegehren – also für den Antrag der BürgerInnen und Bürger für einenBürgerInnenentscheid-, bei einer Höchstgrenze von 10.000 Unterschriften von 10% auf 5%gesenkt werden. Bei zukünftigen BürgerInnenentscheiden sollen die Begründung sowie derVorschlag zur Kostendeckung für ein solches, als unangemessene Zulassungshürde wegfallen.Ein BürgerInnenbegehren ist unseres Erachtens schon deshalb zulassungswürdig, weil 5% derEinwohner dies anberaumt haben.Bei baulichen und strukturellen Maßnahmen, wie z.B. Infrastrukturprojekten oder derErschließung eines neuen Wohn-, Gewerbe- oder Industriegebietes, sollen die Bürgerinnen undBürger ein umfassendes Recht auf Beteiligung bekommen. Ein erfolgreiches Konzept zurEinbeziehung der vielfältigen Interessen ist unserer Meinung nach die Einrichtung vonsogenannten Planungszellen. Planungszellen bestehen jeweils aus einer bestimmten Anzahlfreiwilliger BürgerInnen einer Kommune. Diese werden per Zufallsprinzip ausgewählt. Für ihreTätigkeit in der Planungszelle sollen diese Personen für eine bestimmte Zeit von ihrenberuflichen Verpflichtungen freigestellt werden. Entsprechende Verdienstausfälle werdenkompensiert. Jede dieser Planungszellen erarbeitet in der vorgegebenen ZeitLösungsvorschläge, die in ein BürgerInnengutachten einfließen, dass der Gemeinde bzw. dembeschlussfassenden Organ als Entscheidungsgrundlage dienen soll. Diese Planungszellenwerden während ihrer Arbeit durch eine kompetente Prozessbegleitung unterstützt. Darüberhinaus sollen diese ein umfassendes Recht auf Information erhalten.Manche Kommunen setzen, wenn es um BürgerInnenbeteiligung geht, auf Konferenzen odersonstige Veranstaltungen, in denen sich Bürgerinnen und Bürger einbringen können. Das sehenwir positiv und wünschen uns, dass mehr Kommunen diesen Weg gehen, sich mit den Ideenund Vorstellungen der BürgerInnen auseinander zu setzen. Oft verschwinden die Ideen undKonzepte, die bei solchen Veranstaltungen entwickelt werden, allerdings in den Untiefen derstädtischen Verwaltung. Das muss sich ändern.Öffentliche Daseinsvorsorge: Gemeinwohl statt Profitorientierung!Es gibt Aufgaben, die zu wichtig sind, um sie der Fürsorge gewinnorientierter Unternehmen zuüberlassen: Bildung und Kultur, das Gesundheitswesen, innere Sicherheit und Daseinsvorsorgesind öffentliche Güter, für deren Bereitstellung der Staat Verantwortung übernehmen muss.Gerade Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge – als Kernbestandteile desverfassungsgemäß verbürgten Sozialstaatsprinzips – müssen für alle Menschen zugänglichsein, damit nicht der Geldbeutel allein über den Zugang zu lebensnotwendigen Gütern undDienstleistungen entscheidet. Privatwirtschaftliche Unternehmen können Aufgaben deröffentlichen Daseinsvorsorge letztlich nur gewinnorientiert erfüllen. Doch Daseinsvorsorge ist1vgl.:§21Abs.2Nr.6GemOBW2vgl.:VGHBWvom16.4.2008und31.7.2007
kein Profit-, sondern ein zweckorientiertes Ziel! Es darf deshalb keine Abhängigkeit vonprivaten InvestorInnen und privatwirtschaftlichen Interessen geben. Ihre Bereitstellung mussin staatlicher Hand liegen, dem Gemeinwohl dienen und hohe ökologische sowie sozialeStandards erfüllen. Während durch Privatisierungen bedeutende Bereiche der öffentlichenDaseinsvorsorge der Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürgern entzogen werden, bietenRekommunalisierungen die Chance, politische und demokratische Kontrolle zurückzugewinnen.Der Erhalt kommunalen Eigentums und die Rekommunalisierung bereits privatisierteröffentlicher Dienste stärken die Rolle der Kommunen als Orte lokaler Demokratie undpolitischer Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern.Mehr Mitsprache für Kinder und junge ErwachseneWir fordern die Bereitstellung von mehr Unterrichtsstunden für Demokratieerziehung undderen Integration in Lehrpläne verschiedener Altersstufen. Demokratieerziehung muss bereitsin der Grundschule und im Kindergarten verankert werden. Frühzeitig sollen Kinder andemokratische Prozesse herangeführt und der Umgang mit demokratischen Rechten undPflichten eingeübt und verwirklicht werden. Generell muss gelten: Demokratie-lernen undDemokratie-leben geht immer Hand in Hand. Wir fordern die Demokratisierung der Schulen. Für SchülerInnenvertretungen müssenStrukturen geschaffen werden, die sie ernsthaft einbeziehen und fördern. Die Meinung derSchülerinnen und Schüler im Schulalltag ist wichtig. SchülerInnen können Ideen- und Ratgeberzugleich sein.Auch Kommunen müssen ihre jungen Bürgerinnen und Bürger stärker einbeziehen. BeiProjekten und Vorhaben, welche die Anliegen von Kindern und Jugendlichen betreffen, müssendiese auch Gehör finden. Heutzutage ist es leider so, dass bei vielen kommunalen Projektendie Sicht der Kinder und vieler junger Erwachsenen nicht in den Entscheidungsprozess miteinfließt. Dies muss geändert werden. Wir wollen, dass die kommunalen Entscheidungsgremiengewährleisten, dass die Interessen von Kindern und jungen Erwachsenen bei derEntscheidungsfindung angemessen berücksichtigt werden.Kinder und Jugendliche sind die Zukunft unserer Gesellschaft. Daher ist es auch von großerBedeutung, dass sie sich aktiv in Debatten einbringen können. Junge Leute sehen Problemeaus einer anderen Perspektive und denken meist einen Schritt weiter. Sie anEntscheidungsprozessen zu beteiligen ist ein Gewinn für unsere Demokratie.Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche ergeben sich vor allem in der Kommunalpolitik. Hierkönnen sie an konkreten Projekten mitarbeiten und mitgestalten. Allerdings bleibt die baden-württembergische Gemeindeordnung hier noch hinter unseren Erwartungen zurück. Sie ist ofteine Hürde für Partizipationsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Die Kommunenmüssen dazu verpflichtet werden, Jugendgemeinderäte einzurichten. Dazu soll jede GemeindeJugendliche zu einer öffentlichen Versammlung laden, in welcher der institutionelle Rahmendurch die Jugendlichen selbst gestaltet wird. Die GRÜNE JUGEND Baden-Württemberg fordert,aus der „Kann“-Regelung eine „Muss“-Regelung zu machen. Anträge müssen dann die gleichePriorität und Relevanz haben, wie die des Erwachsenen-Gemeinderats. Zudem muss diesesGremium finanzautonom sein, um unabhängig Ideen umsetzen zu können.Ohne Gleichstellung bleibt Demokratie unvollständigDie Gleichstellung von Mann und Frau ist noch immer ein uneingelöstes Versprechen:Diskriminierende Strukturen, gläserne Decken und eine ungleiche Verteilung von Ressourcenund Macht zu Ungunsten von Frauen führen zu einer krassen Unterrepräsentanz – nicht nur,aber gerade auch in den Parlamenten. Der Landtag von Baden-Württemberg ist mit einemFrauenanteil von nur 18,1 Prozent bundesweit trauriges Schlusslicht. Solange Frauen undMänner nicht die gleichen Chancen auf Beteiligung und Repräsentanz haben, bleibt auchunsere Demokratie unvollständig. Frauen müssen sich nicht nur in der Politik, sondern in allenBereichen der Gesellschaft vollständig gleichberechtigt beteiligen können und beteiligt werden.Überall da, wo Frauen durch sexistische und patriarchalische Strukturen in der Gesellschaftbenachteiligt werden, wollen wir durch klare und verbindliche Regelungen entgegenwirken undFrauen fördern. Neben der Einführung einer gesetzlichen Frauenquote in den Aufsichtsrätenund Vorständen von Unternehmen wollen wir auch in Parteien, Parlamenten und Regierungenfür geschlechtergerechte Verhältnissesorgen. Wir wollen Rollenbilder in der Gesellschaft
aufbrechen, um Frauen wie auch Männer aus dem viel zu engen Korsett der binärenGeschlechterordnung zu befreien und so die Voraussetzungen für individuelleSelbstbestimmung und echte Gleichstellung zu schaffen.Mehr direkte Demokratie auf LandesebeneMit der Volksabstimmung am 27. November ging in Baden-Württemberg eine Ära zu Ende. DieÄra der Missachtung der Stimme des Volkes.Sapere aude – Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen. Zukünftig wollen wir,dass die Menschen in Baden-Württemberg regelmäßig mitentscheiden können. Dazu sollen zubestimmten Themen verpflichtende Volksabstimmungen stattfinden. So müssen zum Beispieldie Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, über das Mittel eines Finanzreferendumsbei zentralen Fragen des Haushaltes mit zu entscheiden. Die Schweiz zeigt, dass die Menschenmündig genug sind, um mit dem Mittel des Finanzreferendums umsichtig und besonnenumzugehen.Auch Volksinitiativen sehen wir als ein geeignetes Mittel an, um mehr Mitsprache zugewährleisten. Dafür müssen jedoch die Hürden bei Volksinitiativen beseitigt werden. Hierfordern wir, die dafür benötigte Sammlung von Unterschriften auf 0,5 Prozent zu begrenzen.Darüber hinaus wollen wir uns bei Volksbegehren für eine Senkung der benötigtenUnterschriften von Stimmberechtigten von 16,7% auf 5% stark machen. Die Sammlung derUnterschriften der Stimmberechtigten soll dabei nicht nur in Rathäusern erfolgen können,sondern auch mit digitaler Authentifizierung im Internet, auf der Straße oder aufBürgerInnenämtern, Bezirksämtern und in anderen öffentlichen Einrichtungen. Die Zeit derStimmensammlung soll wie in Sachsen 8 Monate betragen. Nur wenn wir dieBeteiligungsmöglichkeiten gerecht gestalten, entfalten diese ihre echt partizipative Wirkung.Um die Demokratieblockade des Zustimmungsquorums bei Volksabstimmungen zu entfernenund die sinkende Wahlbeteiligung zu berücksichtigen, setzen wir uns dafür ein, dass dasQuorum von heute 1/3 der Wahlberechtigten auf 0% der Wahlberechtigten gesenkt wird.Durch die Abschaffung des Quorums steigt der Anreiz, zur Abstimmung zu gehen und dereigenen Meinung Ausdruck zu verleihen. Die Frustration die bei BürgerInnen ausgelöst wird,die sich für ein Thema einsetzen und sich am Volksentscheid beteiligen, aber deren Stimmenaufgrund des Quorums verfallen, soll vermieden werden. Ein Wahlbeteiligungsquorum lehnenwir somit ab, da dies zu taktischen Wahlmanövern anstiftet, die der Demokratie nicht zu Gutekommen.Um der Bevölkerung in Baden-Württemberg auch die Möglichkeit zu geben, über ihreVerfassung abzustimmen, fordern wir die Senkung des Zustimmungsquorums beiverfassungsändernden Volksabstimmungen von heute 50% auf 25%.Wir sehen auch das Petitionsrecht als mögliche Beteiligungsform, halten es aber für wenigwirksam. Es ist oft undurchsichtig, was mit den Petitionen passiert und sie haben rechtlichkeine bindende Wirkung. Wir wollen diesen Weg, sich an das Parlament zu richten, erhalten,fordern aber die Landtagsabgeordneten auf, Petitionen ernster zu nehmen und die Verfahrentransparenter zu gestalten. Deshalb fordern wir, dass auch auf Landesebene die Möglichkeiteingerichtet wird, online Petitionen einzureichen und zu unterstützen. Bei 5.000UnterstützerInnen soll eine öffentliche Anhörung dazu im Petitionsausschuss abgehaltenwerden, bei der die/der HauptpetentIn Rederecht erhält.Migrantinnen und Migranten sind Teil unserer Gesellschaft. Es kann nicht sein, dass einE inDeutschland lebendeR MitbürgerIn mit Migrationshintergrund weniger Mitbestimmungsrechtebei Entscheidungen hat, die aber alle hier lebenden Menschen betrifft. Die Einführung dessogenannten „Ausländerwahlrechts“ ist 1993 am Bundesverfassungsgericht gescheitert, weildie Senatsmehrheit den in Art. 20 GG festgeschriebenen Volksbegriff nur auf Deutschebezogen hat. Für die GRÜNE JUGEND Baden-Württemberg ist jedoch klar, dass alle Menschen,die in Deutschland leben Teil unserer Gesellschaft und somit Teil des „Volkes“ sind. Deshalbsetzen wir uns dafür ein, dass dieser Begriff auf alle EinwohnerInnen im Sinne des Art. 116Abs. 1 GG ausgedehnt wird und somit auch ein Wahlrecht für MigrantInnen geschaffen werdenkann. So sollen Menschen ohne deutsche StaatsbürgerInnenschaft, die mindestens 3 Monate inDeutschland leben und dort ihren Erstwohnsitz haben bei Kommunal-, Landtags- und beiBundeswahlen, sowie bei Abstimmungen auf diesen Ebenen genauso stimmberechtigt sein wie
deutsche StaatsbürgerInnen.Um die Transparenz und Legitimation von Volksentscheiden zu gewährleisten, fordern wir dieEinführung einer zentralen Stelle. Diese Stelle soll die Erfüllung der Hürden bzw. Quorenüberprüfen, aber auch die Durchführung der Volksabstimmung überwachen. Sie soll überentsprechende finanzielle Mittel verfügen, um selbst eine neutrale Kampagne, welche zurTeilnahme an der Abstimmung aufruft, durchzuführen und gegebenenfalls auch eineArgumentationssammlung der unterschiedlichen Positionen zusammen zu stellen undveröffentlichen zu können. Auch sollte diese Stelle die BürgerInnen über ihreMitbestimmungsmöglichkeiten informieren und entstehende BürgerInnenbewegungen rechtlichberaten.Friedlicher Protest als Form der BürgerInnenbeteiligungAuch der friedliche Protest ist eine wichtige Form der BürgerInnenbeteiligung. Wie dieGeschichte zeigt, waren es gerade soziale und ökologische Bewegungen, die zu einem tiefgreifenden Wandel in unserer Gesellschaft beigetragen haben, so zum Beispiel dieFrauenbewegung oder zuletzt die Anti-Atom-Bewegung. Hier liegen unsere grünen Wurzelnund gemeinsam mit den Bewegungen wollen wir auch weiterhin auf der Straße Politikgestalten, um unsere Anliegen in den öffentlichen Fokus zu rücken. ZivilgesellschaftlicherProtest und auch gewaltfreier ziviler Ungehorsam sind wichtige und legitime Bestandteile einerlebendigen und freiheitlichen Demonstrationskultur. Der Einschüchterung und Kriminalisierungvon kritischen Bürgerinnen und Bürgern durch Repression von Seiten der Polizei, durch denEinsatz unverhältnismäßiger Gewalt bei Polizeieinsätzen oder durch polizeilicheÜberwachungsmaßnahmen treten wir deshalb entschieden entgegen. Baden-Württembergbraucht endlich ein modernes und freiheitliches Versammlungsgesetz und eineKennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten. Durch die Schaffung einer von derPolizei und den Staatsanwaltschaften unabhängigen Institution, die Polizeistrategien evaluiert,die Aufklärung von Vorwürfen gegen PolizistInnen gewährleistet und Empfehlungen fürdeeskalative Einsatzstrategien entwickelt, wollen wir den Grundkonsens der Gewaltfreiheitzwischen PolizistInnen und DemonstrantInnen befördern und festigen.Mit diesem umfassenden Themen- und Maßnahmenkatalog, möchten wir unsere Vorstellungenfür eine gerechtere Teilhabegesellschaft darstellen und für eine wirklich partizipatorischeDemokratie werben. Wir sind davon überzeugt, dass alle Menschen eine Stimme habenmüssen und eine Meinung haben, die Gehör finden muss. Wer glaubt, die Schaffung von neuendirektdemokratischen Instrumenten schadet der Demokratie mehr, als dass sie nützt,unterschätzt das Verantwortungsbewusstsein der Menschen.