Regenbogenbunt statt rosa und blau – für eine gendersensibleBildungspolitik, die Geschlechterrollen hinterfragt stattzementiert!
REGENBOGENBUNT STATT ROSA UND BLAU - FÜR EINE GENDERSENSIBLE BILDUNGSPOLITIK, DIE GESCHLECHTERROLLEN HINTERFRAGT STATTZEMENTIERT!
Jungs sind Bildungsverlierer, denn sie toben lieber, während Mädchen gerne auswendig lernen.“ - Aussagenwie diese begegnen uns immer wieder in der wichtigen Diskussion um eine Neuausrichtung der Bildungspolitikund in Kampagnen für mehr Männer in Erziehungsberufen. So wichtig das Thema ist, mit Begründungen wiediesen werden traditionelle Vorstellungen – die oft auch impliziten Sexismus enthalten – über die Vorlieben unddas Lernverhalten von Mädchen und Jungen immer weiter verfestigt.Zu viele junge Menschen kommen während ihrer Schulzeit selten bis nie in den Kontakt mit alternativenLebensentwürfen oder genderuntypischen Verhaltensweisen. Die grün-rote Landesregierung Baden-Württembergs will das Schulsystem verändern? Wir sagen: Ja, bitte – aber packt dann auch gleich die altenStereotypen mit in die Mottenkiste!Gendersensibilisierung für Pädagog*innenDer erste Schritt, um eine Veränderung zu bewirken, ist es, Lehrkräfte, Erzieher*innen und andere inErziehungsberufen Tätige für das Thema der gesellschaftlichen Konstruktion von Geschlecht („doing gender“)zu sensibilisieren. Um es am obigen Beispiel zu veranschaulichen: Dass es Jungen sind, die öfter toben,während Mädchen sich vielleicht ruhiger verhalten, wird als Gegebenheit, oft auch als „natürlich“hingenommen. Wie und warum es durch vielschichtige und tiefliegende Sozialisationsprozesse überhaupt dazukommt, wird hingegen selten hinterfragt. Tradierte Geschlechterrollen werden zu häufig einfach unkritischübernommen statt in Frage gestellt und aufgebrochen. Pädagog*innen kommt bei den Sozialisationsprozesseneine wichtige Rolle zu: Als Bezugspersonen und Erziehende vermitteln sie explizit und implizit Werte undNormen, als Lehrende vermitteln sie Kenntnisse und Wissen. Um dabei die Kinder und Jugendlichen frei vonGeschlechterstereotypen zu erziehen und sie zu befähigen, gesellschaftliche Rollen und deren Einflüsse auf ihreindividuelle Entwicklung zu hinterfragen, ist eine Auseinandersetzung mit Erkenntnissen der Genderforschungäußerst wichtig. Zu diesem Thema sollen verstärkt und verpflichtend Fortbildungen angeboten werden. Bei deranstehenden Reform der Lehrer*innenausbildung bietet sich die hervorragende Möglichkeit,Gendersensibilisierung und den aktuellsten Stand der Genderforschung zu einem wichtigenAusbildungsbestandteil zu machen. Diese Chance muss von der grün-roten Landesregierung genutzt werden!Vielfalt in der SchuleIn den gegenwärtigen baden-württembergischen Bildungsplänen werden die Themen Gender, Gleichstellungund auch sexuelle Orientierung entweder gar nicht, oder bestenfalls ganz am Rande erwähnt. Doch gerade dieDiskriminierung von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen (LGBT) ist auf den Schulhöfen leider noch immeromnipräsent. Es ist deshalb eine wichtige Aufgabe für Grün-Rot, dafür zu sorgen, dass diese Themenendlich verpflichtend in der Schule behandelt werden und im Schulalltag eine Rolle spielen. Das Thema dersexuellen Orientierung darf nicht mehr allein im Biologieunterricht stattfinden, wo die Thematisierung nachheteronormativen und biologistischen Deutungen erfolgt, sondern muss auch und besonders in dengesellschaftswissenschaftlichen Fächern auf den Lehrplan. Gleichgeschlechtliche Beziehungen, dasÜberschreiten von geschlechtsspezifischen Zuschreibungen in Bezug auf Verhalten und Interessen sowie dieGleichstellung von Frauen und Männern müssen dabei positiv thematisiert werden. Hier geht es um Fragen, diefür das Zusammenleben in einer offenen und pluralistischen Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind!Geschlechtergerechtigkeit und den Umgang mit sexueller Vielfalt zu lernen, heißt, die Bedeutung von gleichenRechten für alle Menschen zu verstehen. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Gesellschaft, in derHeterosexualität und hierarchische Zweigeschlechtlichkeit nicht mehr als einengende Normen bestehen.
Leider sind Schulbücher jedoch noch immer sehr stark heteronormativ geprägt: In Texten wie Abbildungenwerden oft deutliche Unterschiede und traditionelle Rollenaufteilungen zwischen den Geschlechtern vermittelt.Aber die Realität sieht anders aus: Familie ist mehr als Mutter, Vater, Kind! Forschungen über die Darstellungvon Gender und sexueller Orientierung in aktuellen Schulbüchern zeichnen ein düsteres Bild (1). Auch hier mussendlich ein Umdenken her: Geschlechtergerechtigkeit, Diskriminierungsfreiheit und Repräsentation von nicht-heteronormativen Lebensweisen sollen deshalb als Kriterien für die Zulassung von Schulbüchern etabliertwerden.Förderung der GenderforschungNicht zuletzt erfordert eine gendersensible Bildungspolitik einen Austausch mit der Wissenschaft. DieFörderung der Gender und Queer Studies und anderen Forschungsprojekten, die sich mit den ThemenGleichstellung, Gender u. ä. befassen, ist eine wichtige Maßnahme zum Abbau von Diskriminierungen und kannzur Überwindung von Geschlechterstereotypen und Heterosexismus beitragen. Für inhaltlich gutepädagogische Ausbildungen und qualitativ hochwertige Lehrpläne und Unterrichtsmaterialien brauchen wirfundierte wissenschaftliche Grundlagen. Wir fordern die Verantwortlichen in Bund und Land deshalbdazu auf, entsprechende Vorhaben und Projekte bei der Forschungsförderung stärker als bisher zuberücksichtigen und zu unterstützen.(1) Melanie Bittner (April 2012): Geschlechterkonstruktionen und die Darstellung von Lesben, Schwulen,Bisexuellen, Trans* und Inter* (LSBTI) in Schulbüchern, abrufbar unterhttp://www.gew.de/Binaries/Binary88533/120423_Schulbuchanalyse_web.pdf (letzter Zugriff: 24.5.12).