Wir stellen Menschen in den Mittelpunkt unserer Asyl- und Migrationspolitik!
DIESER ANTRAG WURDE VON DER LANDESMITGLIEDERVERSAMMLUNG AM 9. OKTOBER 2022 IN KIRCHHEIM UNTER TECK BESCHLOSSEN.
Nach vielen Jahren, in denen sich Baden-Württemberg nur sehr oberflächlich mit anderen Regionen der Welt und dem politischen Geschehen außerhalb Deutschlands beschäftigen musste, wächst nun auch der Druck, die Krisen unserer Zeit über unsere Landesgrenzen hinaus zu verstehen. Die Verschärfung der Klimakrise, zunehmende Angriffe auf Freiheit und Demokratie sowie die kontinuierliche Unterdrückung vieler Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität politischen Überzeugung, Religion oder anderen Merkmalen führen dazu, dass immer mehr Menschen ihr Land verlassen müssen. Viele dieser Faktoren, allen voran die Klimakrise, hängen eng mit unseren Wirtschaften in Baden-Württemberg zusammen.
Gleichzeitig entfacht die Debatte rund um die Wertigkeit von Menschen ohne EU Pass, die hier in Deutschland leben, aufs Neue. Einerseits wurden auf EU Ebene ukrainischen Geflüchteten viele wichtige Rechte eingeräumt, die
Drittstaatler*innen aus der Ukraine und anderen Geflüchteten nicht zugutekommen. Andererseits führt nun auch das Thema Arbeitsmigration mit Blick auf den Fachkräftemangel wieder zu Bewertungen von Menschen im Sinne ihrer beruflichen Fähigkeiten und ob diese für Baden-Württemberg relevant sind. Als Grüne Jugend setzen wir uns für eine menschliche Asylpolitik in Baden-Württemberg ein, für faire Chancen aller migrantisierten Menschen in unserer Gesellschaft und gegen strukturellen Rassismus in unseren Institutionen oder politischen Handlungen. Außerdem setzen wir auf eine Landespolitik, die die Konsequenz ihrer Maßnahmen im Ausland von Anfang an mitdenkt und somit nicht zum Leid von Menschen in anderen Regionen führt.
Allein im Jahr 2021 gab es in Baden-Württemberg 1.328 Abschiebungen. Hinter dieser Zahl stehen 1.328 Menschen, die in Baden-Württemberg bleiben wollten und inmitten einer Pandemie abgeschoben wurden. Immer wieder gibt es Berichte über Menschen, die sich in einer Ausbildung befinden oder seit über 20 Jahren in Deutschland sind. Menschen, die unerwartet während ihrer Arbeit im Krankenhaus oder der Schreinerei abgeholt und gegen ihren Willen abgeschoben wurden. Abgeschoben in Länder, in denen sie seit 20 Jahren nicht waren, keine Familie haben oder in denen sie einer unmittelbaren Lebensgefahr ausgesetzt sind. Wir kritisieren das CDU-geführte Justizministerium für diese menschenunwürdige Praxis und fordern es auf, alle Abschiebungen sofort zu beenden!
Viele von einer möglichen Abschiebung Betroffene befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen Integration in Arbeit oder Ausbildung und steter Sorge vor einer plötzlichen Abschiebung. Ein Mensch, der noch am Anfang seiner Ausbildung steht, wird nur dann nicht abgeschoben, wenn er bereits mehr als sechs Jahre in Deutschland ist. Diese Regelung hilft nur sehr wenigen Menschen und deshalb fordern wir eine Vorgriffsregelung auf das vom Bund geplanten Chancenaufenthaltsrecht!
Wir bekräftigen unsere Position: Wir sind als Grüne Jugend grundsätzlich gegen Abschiebungen. Das gilt auch für sogenannte Drittstaatler*innen, die aus der Ukraine vor dem Krieg geflohen sind. Wir fordern die Landesregierung außerdem auf, die Abschiebehaft in Pforzheim sofort zu schließen! Auch die bisherige Weigerung, selbst schwere Erkrankungen als Hinderungsgrund für eine Abschiebung anzuerkennen, muss beendet werden. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung darf als Menschenrecht nicht weiter eingeschränkt werden. Das Recht auf Flucht muss für alle Menschen weltweit anerkannt werden. Es müssen sichere und legale Fluchtwege für alle, aber besonders für Frauen und queere Menschen aus Kriegsgebieten und Ländern, in denen Frauen- und Queerrechte systematisch verletzt werden, geschaffen werden. Geschlechtsspezifische Verfolgung sowie Verfolgung aufgrund der sexuellen oder geschlechtlichen Identität muss als Fluchtgrund anerkannt werden. Die menschenrechtswidrige Praxis des Zwangsoutings von queeren Geflüchteten muss sofort gestoppt werden. Des weiteren setzen wir uns dafür ein, dass für queere Geflüchtete in der Erstaufnahme in BW angemessener Schutz gewährleistet wird. Dies könnte durch Einrichtung einer zielgruppenspezifischen Beratung mit community-basierten Fachstellen in allen vier Regierungspräsidien erreicht werden. Außerdem setzen wir uns in den Kommunen für eine separate Unterbringung für queere Geflüchtete, nach dem Beispiel „Safe House“ Frankfurt, ein.
Migrationspolitik darf keine Abschottungspolitik sein. So ist es auch im Europarecht festgeschrieben. Europa trägt aufgrund seiner kolonialen Ausbeutung, welche bis heute spürbare Folgen hat, nicht nur eine historische, sondern auch eine aktuelle Verantwortung. Damit Europa seiner Verantwortung gerecht wird, muss die europäische Migrationspolitik aufhören, ihre eigenen Gesetze, insbesondere im Bereich des Asylrechts, zu brechen und endlich eine in der Praxis humane Flüchtlingspolitik umsetzen. Es braucht schnelle, menschen- und europarechtskonforme Asylverfahren. An den EU-Außengrenzen braucht es dafür nicht mehr Frontex-Beamte, sondern mehr humane Asylbeamte. Migrationspolitik muss auf humanitäre Kooperation setzen. Wir fordern ein humanitäres Landesaufnahmeprogramm für die Menschen in den Lagern an den EU-Außengrenzen. Es muss, wie im Europarecht festgeschrieben, Menschen mit Anspruch auf Asylprüfung einen Rechtsbeistand und eine Asylberatung gewähren.
Das aktuelle Integrationskonzept, an dem sich in den Kommunen orientiert wird, ist problematisch. Es vermittelt ein Verständnis von Integration, in dem sich geflüchtete und migrierte Menschen der weißen Dominanzgesellschaft anpassen sollen. Das Land muss unter Einbeziehung von Betroffenen ein neues Konzept erarbeiten, das sich von diesen Hierarchien und dem damit verbundenen Leistungsdenken distanziert. Infolgedessen muss auch das landesweite Teilhabekonzept neu gefasst werden.
Wer nach seiner Flucht in Deutschland ankommt, kommt zunächst in einer Sammelunterkunft an. In der Corona-Pandemie haben wir deutlich gesehen, dass diese an ihre Grenzen kamen - zu Lasten der Bewohner*innen. Auch mit der steigenden Zahl an Ukrainer*innen, die nach Deutschland flüchten müssen, spitzt sich die Lage erneut zu. Es braucht dringend einen Ausbau von Geflüchteten- Unterkünften und damit einhergehend eine Hochsetzung und stetige Kontrolle der Mindeststandards.
- Es müssen Rückzugsorte für die Bewohner*innen geschaffen werden.
- Angekündigte und unangekündigte Zimmerkontrollen müssen beendet werden.
- Der Zugang zu den Anlagen muss ohne entwürdigende Taschenkontrollen möglich sein.
- Die Hausordnungen müssen angepasst werden, so dass die Rechte der Bewohner*innen gestärkt werden.
- Es braucht Zugang zu Ressourcen wie Internet, Technik etc., die vor allem für die Bildung wichtig sind.
- Es braucht Angebote und separate Räumlichkeiten für Kinder und Jugendliche, aber auch für marginalisierte Menschen wie Frauen und queere Geflüchtete.
- Die Quadratmeterzahl pro Geflüchteten muss deutlich erhöht werden.
- Die Bewohner*innen müssen über ihre Rechte und die Durchsetzungsmöglichkeiten informiert werden.
Es sollte gleichzeitig das Ziel sein, Geflüchteten so schnell wie möglich ein eigenes Zuhause zur Verfügung zu stellen.
Bei der Unterbringung von FINTA*-Person muss speziell auf deren besondere Bedürfnisse geachtet werden. Das ist zum Beispiel der Bedarf an Kinderbetreuung während Sprachkursen oder anderen Terminen, aber auch die Verfügbarkeit von kostenlosen Hygieneartikeln.
Angebote in der Geflüchtetenarbeit werden oft von ehrenamtlichen Strukturen getragen. Doch es müssen hauptamtliche Strukturen in den Kommunen etabliert und deren Finanzierung sichergestellt werden. Staatliche Aufgaben dürfen nicht weiterhin auf Ehrenamtliche verlagert werden.
Dazu gehören kommunale Beratungsangebote. Diese müssen niedrigschwellig zugänglich sein. Dazu gehören geringe Kosten, Informationen in verschiedenen Sprachen und eine gute Erreichbarkeit durch öffentliche Verkehrsmittel oder am besten direkt in der Nähe des Wohnorts.
Weiter braucht es zusätzliche Integrationsmanager*innen, die im Rahmen von progressiven Konzepten, wie dem Case Management, Menschen, die neu in Deutschland angekommen sind, unterstützen. Ebenfalls muss das Angebot der Sozialarbeit ausgeweitet werden. Wir fordern deshalb, dass pro 150 geflüchteter Menschen ein*e unbefristete vollzeitäquivalente Sozialarbeiter*in beschäftigt werden.
Im Jahr 2021 war das Armutsrisiko von Personen mit Migrationshintergrund mehr als doppelt so hoch wie das von Personen ohne Migrationshintergrund. Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind dabei häufiger von Armut betroffen als Personen mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit. Auch sind Personen, die selbst zugewandert sind, stärker armutsgefährdet als Personen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren wurden. Verantwortlich dafür sind unter anderem der eingeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt und zu speziellen Hilfen zur beruflichen Eingliederung, der höhere Anteil an Personen mit fehlendem oder nicht anerkanntem Abschluss, eine zeitlich begrenzte Aufenthaltsdauer oder die daraus folgende häufigere Ausübung von befristeten oder schlechter bezahlten Tätigkeiten.
Es braucht Beratungsangebote für Geflüchtete und Übersetzungsangebote, so dass jede*r Bedürftige auch Sozialleistungen beantragen kann.
Wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte, wenn wir in Baden-Württemberg die PV-Pflicht umsetzen wollen, wenn wir in Baden-Württemberg jedem Kind die besten Startmöglichkeiten in der KiTa geben wollen, und wenn wir in Baden-Württemberg die alternde Bevölkerung nicht auf sich alleine gestellt lassen möchten.
Aber die Ausbildungsabbrüche bei Geflüchteten sind hoch. Durch Sprachbarrieren in Betrieb und Berufsschule, finanzielle Schwierigkeiten bei geringer Ausbildungsvergütung und die fehlende praktische und schulische Einstiegsqualifikation haben geflüchtete Menschen zahlreiche Hürden mehr zu bewältigen als ihre Kolleg*innen. Um dies auszugleichen, müssen sie während der Ausbildung auch besonders unterstützt werden. Dafür müssen Ausbildungen attraktiv gestaltet werden, die Ausbildung höher vergütet werden und es braucht flexible Arbeitszeiten. Betriebe müssen dabei unterstützt werden, passende Sprachunterrichtsangebote anzubieten. Personen in Ausbildung oder in Vorbereitungskursen für Ausbildungen sowie unmittelbar nach der abgeschlossenen Ausbildung hin zum Wechsel in den Arbeitsmarkt dürfen nicht abgeschoben werden! Gleichzeitig muss sich die Landesregierung im Bundesrat für einen sofortigen Zugang zu Bafög-Leistungen auch für geduldete Personen einsetzen und auf die Abschaffung der bestehenden 15 Monatigen Sperrfrist hinwirken.
Es braucht eine bessere Einbindung von Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt. Deshalb fördern wir Projekte, die eine kontinuierliche Unterstützung in der Ausbildung und auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen. Es sollen Möglichkeiten evaluiert werden, wie bereits im Herkunftsland begonnene Ausbildungen oder Studiengänge inklusive bereits erbrachter Teilleistungen fortgesetzt werden können.
Neben der monetären Armut sind gerade geflüchtete Personen von politischer Armut betroffen, da keine oder nur unzureichende Möglichkeiten existieren, an politischen Entscheidungen mitzuwirken und sich zu organisieren. Es braucht eine Verstärkung der niedrigschwelligen politischen Teilhabemöglichkeiten. Wir fordern die Landesregierung auf, die Beteiligung von Menschen ohne Wahlrecht aufgrund der Staatsbürgerschaft auf kommunaler Ebene durch die verpflichtende Verankerung von Partizipationsformaten in der Gemeindeordnung sicherzustellen. Das Wahlrecht muss auf Landes- und Kommunalebene sukzessive auch Personen ohne eine deutsche oder EU-Staatsbürgerschaft ermöglicht werden, sofern diese sich dauerhaft in Baden-Württemberg aufhalten.
In den vergangenen Jahren wurde die Wohnraumsituation in Baden-Württemberg immer schlechter und Menschen, insbesondere mit geringerem Einkommen, wovon leider geflüchtete und migrierte Personen häufiger betroffen sind, haben heute kaum eine Chance, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Zusätzlich werden geflüchtete Menschen häufig rassistisch diskriminiert und daher oft zu Wohnungsbesichtigungen aufgrund ihres Namens erst gar nicht eingeladen. Um dieser Benachteiligung entgegenzuwirken, fordern wir, dass mind. 40 % der neu geschaffenen Wohnfläche für den geförderten sozialen Wohnungsbau bereitgestellt werden und dauerhaft in der Preisbindung gehalten werden muss. Bei der Vergabe müssen nicht kommerzielle Bewerber wie Genossenschaften bevorzugt werden.
Dass die soziale Herkunft den Bildungserfolg beeinflusst, ist mittlerweile unbestritten. Menschen mit Migrationshintergrund sind davon stark betroffen. Um dies auszugleichen, braucht es an Schulen kleinere Klassen, um Schüler*innen mit Migrationshintergrund besser zu fördern. Dafür müssen mehr Lehrkräfte eingestellt werden. Gleichzeitig müssen in Baden-Württemberg ausreichend Mittel eingestellt werden, um z.B. VKL-Klassen (Vorbereitungsklassen der allgemein bildenden Schulen) durch qualifizierte Fachkräfte betreuen zu lassen.
Eine der größten Barrieren im baden-württembergischen Bildungssystem zeigt sich mit dem Übergang von Grundschule auf eine Haupt-, Real- oder Gesamtschule, auf ein Gymnasium oder eine Förderschule. Bei gleichen Kompetenzen ist der Anteil der Schüler*innen mit einem niedrigen sozioökonomischen Hintergrund auf einem Gymnasium geringer. Daran zeigt sich, dass Schüler*innen mit diesem Hintergrund im Bildungssystem in der Entwicklung und Förderung ihrer Kompetenzen benachteiligt werden. Das darf nicht sein. Es braucht dringend eine grundsätzliche Reform des Bildungssystems, die mit einer Abschaffung des mehrgliedrige Schulsystem und der flächendeckende Einführung der Gemeinschaftsschule einhergeht. Auch die Einführung von multiprofessionellen Teams an allen Schulen sowie ein flächendeckender Ganztagsbetrieb ist ein wichtiger Schritt, um der Bildungsgerechtigkeit näher zu kommen.
Die Abschlüsse der meisten geflüchteten Menschen werden in Deutschland nicht anerkannt. Das führt dazu, dass Menschen mit langjähriger universitärer Ausbildung und hohen Qualifikationen in prekäre Jobs ausweichen müssen. Es braucht eine schnelle und unbürokratische Anerkennung der Studiums- und Schulzeugnisse aller Geflüchteten!
Die Gewährleistung der Gesundheit ist ein Menschenrecht – dieses Recht gilt im Alltag aber für manche Menschen mehr als für Andere. Die psychische und physische Gesundheit von geflüchteten und migrantisierten Menschen in Deutschland ist laut Studien schlechter als im Durchschnitt der Bevölkerung. Diese Unterscheidung lässt sich durch rassistische Strukturen im Gesundheitssystem erklären. Das Recht auf Gesundheit muss aber allen Menschen gewährleistet werden. Wir fordern eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung für geflüchtete Menschen in Baden-Württemberg und den Hürdenabbau im Asylrecht.
Geflüchtete Menschen sind in den ersten 18 Monaten nicht krankenversichert. Sie unterliegen Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes, wodurch sie in Deutschland in dieser Zeit nur eingeschränkte Gesundheitsleistungen erhalten. Es benötigt einen Zugang zu allen medizinischen und psychotherapeutischen Leistungen nach dem GKV(Gesetzlichen Krankenversicherung)-Leistungskatalog für alle Asylantragssteller*innen, so wie es bereits für ukrainische Geflüchtete gilt! Das Land Baden-Württemberg muss in diesem Zuge auch im Bundesrat auf die Aufhebung der 18 Monate Regelung hinwirken. Übergangsweise muss Geflüchteten in Baden-Württemberg durch eine Rahmenvereinbarung zwischen Leistungsträger und Krankenkassen der dringend notwendige Zugang zur elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ermöglicht werden, wie es in anderen Bundesländern schon längst Standard ist. Dadurch ersetzen wir das bisherige Behandlungsscheinverfahren und entlasten die Verwaltung.
Neben der rechtlichen Möglichkeit, Gesundheitsleistungen zu erhalten, muss auch die praktische Möglichkeit gewährleistet werden.
Deswegen wollen wir ein System von Vertrauenspersonen und Gesundheitslots*innen einführen und die Gesundheitsbildung von geflüchteten Menschen weiter vorantreiben. Gleichzeitig muss es für Geflüchtete im Gesundheitssystem von Anfang an möglich sein, medizinische Informationen zu verstehen. Dafür braucht es in jedem Krankenhaus/Stadt einen Pool an Dolmetscher*innen, die sprachliche Unterstützung leisten. Menschen, die diese Arbeit anbieten, müssen dabei entlohnt werden und es darf nicht auf ein reines System aus Ehrenamtlichen gesetzt werden.
Weiter fordern wir den Ausbau von Therapieangeboten für Geflüchtete, deren mentale Gesundheit häufig eine zusätzliche gesundheitliche Unterstützung benötigt. Themen wie mentale Gesundheit z.B. im Umgang mit Traumata nach Flucht müssen konstanter Teil des Lehrplans medizinischer Berufe werden! Es braucht gleichzeitig den Aufbau eines Expert*innennetzwerkes zu den besonderen Therapieherausforderungen bei Kriegs- und Fluchterfahrungen. Dabei müssen auch Kosten für Dolmetscher*innen im Einklang mit den europäischen Richtlinien niederschwellig übernommen werden.
Auch das Gesundheitssystem ist nicht frei von Rassismus. Daher muss Antirassismus in der Aus- und Weiterbildung von Gesundheitsberufen verankert werden.
Wir wollen bereits in der Ausbildung unter anderem Bewusstsein dafür schaffen, dass visuelle Symptome bei BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) Personen teilweise eine andere Ausprägung haben als es in medizinischen Standardwerken gelehrt wird und unterstützen es deshalb Projekte wie "Mind the Gap" auch an deutschen Universitäten zu etablieren.
Geflüchtete Menschen mit Behinderung benötigen zusätzlichen Unterstützungsbedarf. Laut EU-Aufnahmerichtlinien sind die Bundesländer verpflichtet, bei der Aufnahme von Asylsuchenden einen besonderen Schutzbedarf zu erkennen. Bisher gibt es aber fast keine systematische Erfassung. Dementsprechend wird der besonders notwendige Schutz häufig nicht erkannt und Menschen mit Behinderung erhalten benötigte Unterstützungen nicht.
Baden-Württemberg muss hier eigene Lösungen schaffen. Eine systematische Erfassung aller geflüchteten Menschen mit Behinderung sowie die Art ihrer Beeinträchtigung und die Feststellung behinderungsbedingter Bedarfe ist dafür unabdingbar.