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It‘s pride o‘ clock
Mo, 12.7.21

It‘s pride o‘ clock

Von Tina Hauswald - Queerfeminismus, Heteronormativität, LGBTQIA+…, wenn man sich in den Kreisen der Grünen Jugend bewegt, laufen einem diese Begriffe ganz selbstverständlich über den Weg. Wir nicken ihnen freundlich entgegen, als wären wir alle Vollprofis, aber Hand aufs Herz: Weißt du zum Beispiel, was die Queer-Theory besagt? Kennst du die zwei unterschiedlichen Bedeutungen von Sexualität? Oder hast du konkrete Ideen, wie eine geschlechtslose Welt aussehen könnte?
Vor meiner Recherche schwebten mir schon noch einige Fragezeichen über dem Kopf. Umso wichtiger, dass wir all diese Begriffe und vor allem das, was dahintersteckt, mal unter die Lupe nehmen. Also, let’s go!

Was ist dieses queer?

Okay, jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, wo ich dir beichten muss, dass dir in diesem Part ein Abschnitt mit Theorie bevorsteht. Aber die queere Community wäre dir bestimmt sehr dankbar, wenn du dir kurz die Minute Zeit nimmst.

Queer

Wenn Du Wikipedia fragst, was queer bedeutet, erklärt es, dass man „Dinge, Handlungen oder Personen, die durch oder als Ausdruck einer sexuellen oder geschlechtlichen Identität von der gesellschaftlichen Cis-Heteronormativität abweichen“ als queer bezeichnet.
Bitte was?
Schauen wir mal, was die einzelnen Bestandteile eigentlich bedeuten:
Cis heißt eigentlich nur, dass man sich mit seinem biologischen Geschlecht identifiziert und bildet damit das Gegenteil zu Transsexualität.

Heteronormativität bezeichnet eine Einstellung bzw. Anschauung, bei der zum einen Heterosexualität als Norm angesehen wird, und die zum anderen nur zwei Geschlechter (Mann und Frau) kennt (= binäres Geschlechter-System) sowie von diesen die Einhaltung der traditionellen Geschlechterrolle verlangt.

Queerfeminismus

Queerfeminismus basiert auf der Queer-Theorie. Diese beinhaltet die Überzeugung, dass das biologische und soziale Geschlecht sowie sexuelle Begehren, voneinander losgelöst sind. Ein wichtiger Aspekt dieses Aktivismus‘ bildet also somit das Aufbrechen von Geschlechterrollen und dem binären Geschlechtersystem.
Aus dieser Theorie resultiert auch, dass in der Bewegung nicht nur für die Rechte von Frauen, wie im klassischen Feminismus, sondern von allen geschlechtlichen, sexuellen und romantischen Minderheit gekämpft wird.

LGBTQIA+

LGBTQIA+ ist eine Abkürzung für lesbian (=lesbisch), gay (=schwul), bisexual, transgender, queer sowie questioning (= fragen; also Menschen, die sich über ihre sexuelle oder geschlechtliche Identität noch nicht im Klaren sind), intersex, asexual und ally (= Verbündete*r; Personen, welche die Community mit ihren Werten vertreten und Ausgrenzung, Diskriminierung sowie Vorurteile bekämpfen).
Das bedeutet, dass die LGBTQIA+ Community eigentlich die Gemeinschaft aller queerer Menschen und deren Unterstützer*innen ist.
Das Plus am Ende steht übrigens für alle anderen Geschlechter und Identifikationen, die in der Abkürzung nicht mit einem Buchstaben vertreten sind. Deshalb findest Du auch unterschiedlich lange Versionen des Begriffs (LGBT+, LGBTQ+, LGBTI+, …).

PS: Was die einzelnen Sexualitäten überhaupt sind, wie sie sich unterscheiden und welche Farben sie sich auf die Fahne geschrieben haben, kannst du hier(1) auf meinem privaten Politikblog nachlesen.

(1) https://www.yummypolitics.de/post/flaggen-queer-lgbtqia

Sexualität – Mehr als nur Sex

Unter Sexualität verstehen wir meistens, wen wir lieben oder sexuell anziehend finden, also unsere sexuelle Orientierung. Aber das ist nur ein Teil von ihr, denn zu dem Begriff Sexualität zählt auch unsere sexuelle Identität, also zu welchen Geschlechtern wir uns zuordnen oder eben auch nicht. Zur queeren Community gehören beide Aspekte der Sexualität: also z.B. Homosexualität, die sich auf Anziehung bezieht, aber genauso Transsexualität, die widerum nichts über die Partnerwahl aussagt. Eine transsexuelle Person kann ja schließlich hetero- oder homosexuell sein.

Von Toiletten und Ausweisen

Dass die Toleranz gegenüber queeren Menschen – ganz diplomatisch ausgedrückt – ausbaufähig ist, kannst du dir bestimmt vorstellen. Aber eigentlich sollte doch klar sein, dass dein Geschlecht, deine sexuelle Orientierung und deine Identität kein Grund für Diskriminierung sein dürfen, oder? Warum sind in Artikel 1 unseres Grundgesetzes sexuelle Minderheiten als einzige Gruppierung, die in der NS-Zeit durch Ausgrenzung, Hass und Gewalt gequält, verfolgt, entwürdigt und ermordet wurden, nicht aufgezählt und somit auch nicht unter besonderen staatlichen Schutz gestellt? Und die viel wichtigere Frage: Wie können wir solche Benachteiligungen beenden? Denn als Grüne Jugend beschäftigen wir uns nämlich nicht nur mit dem Aufzeigen von Missständen, sondern auch mit politischen Konzepten, um sie zu lösen. Wie schaffen wir es, als Gesellschaft also, dazuzulernen? Was sind die nächsten Schritte? Wie könnte eine queer-freundlichere Zukunft aussehen?

Ich möchte dir dafür die Idee von einer geschlechtslosen Welt vorstellen: Der Grundgedanke ist, dass wir die Definition einer Person über ihr Geschlecht schlichtweg stoppen. Angefangen damit, dass wir dem Geschlecht weniger Platz in unserer Mitte geben. Das ist jetzt alles wahrscheinlich etwas wage für dich, daher jetzt mal ein paar konkrete Beispiele:

Die Niederlande haben den Beschluss gefasst, dass ab dem Jahr 2024 im Ausweis kein Geschlecht mehr vermerkt wird. Das niederländische Bildungs- und Kultur-Ministerium begründet es mit mehr Freiheit und Sicherheit ihrer Bürger*innen sowie mehr Entfaltungsfreiheit der eigenen Identität. Ich finde, das ist eine kleine Veränderung mit großer Wirkung für all die, die sich täglich schwertun, wegen der Kategorisierung ihres Geschlechts. Vor allem zeugt es von einem größeren Empathie-Vermögen, die Angabe rauszunehmen, statt Menschen, wie hierzulande, mit der Betitelung „divers“ als anders darzustellen.

Eine weitere Entfernung der geschlechtsspezifischen Kategorisierung könnte auch die Verbreitung von Unisextoiletten sein. Was für einige ein ganz unproblematischer alltäglicher Gang zur Schüssel ist, bildet für andere eine große Sorge und der Zwang sich unterzuordnen; schlimmstenfalls gegen das eigene Verständnis, nur wegen eines Geschlechtsorgans.

Einen letzten Denkanstoß möchte ich dir noch mitgeben. Beim Schreiben dieses Artikels habe ich mich bei der Erklärung von Unteraspekten der Sexualität und vor allem des Geschlechts extrem schwergetan, sie zu beschreiben. Wieso haben wir nur ein Wort für „Geschlecht“, wobei es doch so viele Bedeutungen trägt? Wieso liegt also eigentlich diesem Begriff zugrunde, dass dein biologisches Geschlecht dem gesellschaftlichen entsprechen sollte? Spoiler alert: Konservatismus. Vielleicht wird es Zeit, damit zu brechen und endlich queerfeministische Forderungen ganzgesellschaftlich umzusetzen. Denn es ist nicht kurz vor 12, es ist pride o‘ clock!

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Tina Hauswald

Tina kommt aus Pforzheim und ist seit 3 Jahren bei der GJBW. Neben der Liebe für die Politik hat sie auch noch etwas für den Journalismus übrig: Tina studiert Moderation & Redaktion in Stuttgart.