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Polizeigesetze - Hintergrund und Kommentar
Fr, 7.2.20

Polizeigesetze - Hintergrund und Kommentar

von Max Mayer

München, Hannover, Nürnberg, Düsseldorf. Überall demonstrierten Menschen unter dem Motto #noPAG gegen neue Polizeiaufgabengesetze in ganz Deutschland. Aber nicht hier, nicht in Baden-Württemberg.
Die Verschärfung der Polizeiaufgabengesetze strebt eine Verbesserung der Sicherheitslage der Länder an, vor allem durch terroristische Gefahr. So steht es zumindest auf dem Papier. Die Gesetzesvorschläge kommen hierfür aus dem Innenministerium. Der baden-württembergische Innenminister ist der CDU-Parteivorsitzende Thomas Strobl. Die erste Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes gab es 2017, unterstützt von CDU, Grüne und SPD. Aber was ist der eigentliche Inhalt?

1. Es ist möglich eine automatisierte Überwachung zu beantragen, aber nicht nur sachbezogen, sondern auch personenbezogen. Durch diese automatisierte Überwachung wird die Unschuldsvermutung missachtet.

2. Eine schwierige Stelle der Novellierung ist die Gefährdungseinstufung. Die Stufe „drohende Gefahr“, die Personen verliehen werden kann, und die Polizei mehr Befugnisse erteilt, ist sehr schwammig. Dies kann vor allem dann zum Problem werden, wenn nicht nur Terrorverdächtige als „drohende Gefahr“ eingestuft werden.

3. Sehr umstritten, jedoch von der CDU gefordert, war die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ). Dabei nutzt die Polizei Sicherheitslücken in einem System, um dadurch gefährliche Individuen besser überwachen zu können. So kann auch bei einem Messenger-Dienst, der Ende-zu-Ende verschlüsselt sind, wie z.B. WhatsApp, mitgelesen werden. Sogar gespeicherte Daten können dadurch ausgelesen werden. Grundrechte wie das Fernmeldegeheimnis werden dadurch missachtet. Gegen dieses Gesetz wurde von der Gesellschaft für Freiheitsrechte gemeinsam mit dem Chaos Computer Club Verfassungsbeschwerde eingelegt. Auch wenn nur sehr wenige Personen, auch hochgefährliche, damit überprüft werden, bleiben diese Sicherheitslücken offen, statt den Entwicklern gemeldet zu werden. Hacker oder andere Staaten können diese Sicherheitslücken zu ihren eigenen Zwecken ausnutzen. Geschädigt werden lediglich die Unschuldigen, deren Daten ausgelesen werden können.

4. Die Polizei kann eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit bei Personen mit „drohender Gefahr“ anordnen. Diese Personen werden dann dadurch in ihrem Alltag beeinflusst, indem sie zum Beispiel öffentliche Plätze nicht betreten dürfen oder Hausarrest bekommen. Zudem kann die Polizei in ganz besonders extremen Fällen eine Präventivhaft von 3 Woche anfordern.

Diese 4 Punkte bedrohen ganz klar unsere Freiheitsrechte und sind daher die kontroverstesten Änderungen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte damals, mit dem nun verabschiedeten neuen Polizeigesetz „an die Grenzen des verfassungsrechtlich möglichen zu gehen“. Der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink meinte zudem: „Das ist, wenn man es nüchtern betrachtet, eine Breitseite, die auf unsere Bürgerrechte abgefeuert wird.“

Im Vergleich zu anderen Bundesländern sind neue Polizeigesetze jedoch der letzte Schrei. Lediglich in Thüringen ist keine Verschärfung des Polizeigesetzes geplant. In Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein ist die Umsetzung noch unklar. In allen anderen Bundesländern wird das Polizeiaufgabengesetz teilweise oder massiv verschärft. Und das Grün-geführte Baden-Württemberg ist mit vorne dabei. Nach dem Motto „je härter desto besser“ betreiben die Länder ein Wettbewerb, welches Land am meisten Freiheitsrechte einschränken kann. Innenminister Strobl wollte dem amtierenden Champion Bayern dicht auf Fersen, wurde aber von dem grünen Teil der Regierung ein wenig zurechtgestutzt.

Doch Innenminister Strobl will mehr. Mehr Sicherheit. Mehr Macht. Mehr Polizeistaat. Das einzige, das weniger wird, ist die Freiheit. Dies rechtfertigt er mit der ständigen Gefahr von Terrorismus, auch wenn es diese in Baden-Württemberg gar nicht gibt.

Was sind diesmal die Forderungen?

1. Eine Schleierfahndung in einem 30km Radius im Grenzgebiet soll möglich gemacht werden.

2. Die Präventivhaft soll von 3 Wochen auf 3 Monate erhöht werden, kann jedoch immer wieder verlängert werden. Deshalb wird sie umgangssprachlich „Unendlichkeitshaft“ genannt.

3. DNA-Analysen sollen möglich gemacht werden. So soll durch Spuren am Tatort ein genetischer Fingerabdruck entstehen. Haarfarbe, Augenfarbe, Haut, Alter und die sogenannte „biographische Herkunft“ soll dadurch ermittelt werden können.

Diese Forderung stoßen dann auch bei den Grünen in Baden-Württemberg gegen Widerstand. Hans-Ulrich Sckerl, Parlamentarischer Geschäftsführer und Innenpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion, sieht dies ebenfalls kritisch. Sckerl sagte: „Es hat nach unserer Überzeugung keine Änderung der Sicherheitslage gegeben, die Verschärfungen notwendig machen.“ Zudem kritisiert die Landtagsfraktion der Grünen FDP und CDU dafür einen „Präventionsstaat“ zu wollen.

Sascha Binder, Innenpolitischer Sprecher der SPD Landtagsfraktion, sagte: „Die Grünen sind bei der letzten Gesetzesnovellierung bereits umgefallen. Wir sind gespannt, welche Halbwertszeit die Aussage von Uli Sckerl dieses Mal hat“.

Laut einer SPD-Anfrage im Landtag wird das aktuelle verschärfte Polizeigesetz so gut wie nie eingesetzt. Die Software für die Quellen-TKÜ ist noch nicht einsatzreif, die Fußfessel wurde lediglich ein einziges Mal eingesetzt. Ebenso wurden beide Anträge der Polizei die Bewegungsfreiheit von Verdächtigen Personen einzuschränken, abgelehnt.

Kommentar

Die Schleierfahndung im 30km Umkreis ist nicht nur aufgrund der Unschuldsvermutung eine umstrittene Taktik, da diese jedoch im Grenzgebiet durchgeführt werden soll, ist ein gegen den europäischen Gedanken. Das Errichten von inoffiziellen Grenzkontrollen ist gegen das Prinzip der offenen Grenzen, und vor allem gegen den europäischen Freiheitsgedanken und unsere Werte. Mehr zwischenstaatliche Grenzkontrollen sollten niemals das Ziel einer europäischen Nation sein.

Die „Unendlichkeitshaft“ wurde auch schon in Bayern eingeführt und stößt dort gegen Widerstand, auch aus rechtlicher Sicht. Einem Menschen, der noch nichts verbrochen hat, seine Freiheit zu nehmen, ist das Gegenteil eines Rechtsstaates. Die Unschuldsvermutung und die Menschenwürde werden hierbei außer Acht gelassen.

Letztendlich sind DNA-Analysen ein Mittel, das lediglich gegen ethnische Minderheiten effektiv eingesetzt werden kann. Strobl will dadurch Diskriminierung und Stigmatisierung von ethnischen Minderheiten salonfähig machen. Man kann es aber auch einfach beim Namen nennen: Rassismus.

Alles in allem leistet Innenminister Strobl wunderbare Arbeit unsere Freiheit abzubauen und vermeintliche Sicherheit aufzubauen. Seine Forderung, das Polizeiaufgabengesetz erneut zu verschärfen, obwohl die erste Verschärfung nicht einmal etwas gebracht hat, ist eine Unverschämtheit. Strobl versucht lediglich politisches Kapital herauszuschlagen, anders kann man sich dies nämlich nicht erklären. Wie das jedoch funktionieren soll ist fraglich, denn logisch sind seine Taten nicht. Trotzdem passiert all dies um die Sicherheit der BürgerInnen zu schützen, aber mal ganz ehrlich: Die CDU hat keine Terror-Angst, sondern Flüchtlings-Angst. Ein Ministerium, das die EU aushebeln und ethnische Minderheiten besser zu Verbrechen zuordnen möchte, handelt gegen die europäische Solidarität und das Grundgesetz.

Zusammen mit der CDU-Landtagsfraktion hat es Strobl wahrlich geschafft aus anderen Ländern Gesetze falsch abzuschreiben. Wer gegen demonstrierende Schüler hetzt, sollte wenigstens Recht bei seiner eigenen Arbeit haben. Herr Innenminister, drücken Sie lieber nochmal die Schulbank!

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MAX MAYER

ist seit Mitte 2018 Mitglied der Grünen Jugend und engagiert sich in der Grünen Jugend Ludwigsburg. Seit Dezember 2018 ist er auch Redakteur der Zitro.