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Wann haben wir aufgehört, Menschen vor Profite zu stellen?
Di, 5.5.20

Wann haben wir aufgehört, Menschen vor Profite zu stellen?

Ein Kommentar von Valentin Gashi

Spoiler: Wir haben nie wirklich angefangen.

Erst vor wenigen Tagen feierten wir den 1. Mai, den Tag der Arbeit. Aber, dass sich Menschen zusammentun, um ihre gemeinsamen Interessen gegenüber Arbeitgeber*innen zu vertreten, ist noch gar nicht so krass lange her. Ob es Menschen waren, die Zigarren rollten und für ihre Arbeit mehr vom Gewinn abhaben wollten oder Buchdrucker, die erkannten wie schwer sie auszutauschen waren und ihren Arbeitgeber aufforderten ihnen mehr Lohn zu zahlen. Noch nie haben wir uns so sehr miteinander solidarisiert, um die Hierarchien der Betriebe zu durchbrechen.

Schaut man sich aktuell um, erkennt man, dass Unternehmer*innen fast schon heiliggesprochen werden. Was bewegt nur diesen Menschen, der seine Idee in die Tat umsetzt und mit der Gründung eines Unternehmens erfolgreich eine Lücke in unserer vermeintlichen Mangelgesellschaft schließt. Wie ein Samariter erscheint diese Person aus dem Nichts und schafft aus einem Tisch in einer Garage ein eigenes Start-up und sorgt für Arbeit, Steuern und Konsum, der diesen Zyklus wieder von vorne beginnen lässt.

Uns ist allen klar, dass das nicht ohne Hilfe passieren kann. Kein Mensch der Welt steht morgens auf und ist am Abend erfolgreich im Unternehmertum. Aber wie weit reicht die Kette der Menschen, die dieses Unternehmen erst möglich gemacht haben? Wissen wir nur von dem Co-Gründer oder auch von der Kommilitonin, die bei der ersten Steuererklärung geholfen hat? Wissen wir überhaupt von den Eltern, die dieses Start-up erst möglich gemacht haben, weil sie keine Miete für die Garage wollten? Nicht wirklich.

Wir setzen uns so unfassbar wenig damit auseinander, wer noch alles die Verantwortung für solche Erfolgsgeschichten hat, dass wir unsere eigene Rolle in einer anderen Erfolgsgeschichte gar nicht wahrnehmen. Auch wenn bis zu 40% der Menschen ihren Job als „Bullshit-Job“ bezeichnen, würden Unternehmen auch ohne diese zusammenbrechen. Ob das strukturelle oder organisatorische Gründe hat, es macht jeden Job zu einem wichtigen im Getriebe der Wirtschaft.

Wenn aber jeder Job wichtig ist, Arbeitnehmer*innen nur bedingt austauschbar sind, haben wir dann nicht einen Anspruch daran gleichermaßen an Gewinnen zu beteiligt zu werden? Marx greift dieses Thema in „Das Kapital“ bereits auf. Und es klingt gar nicht so abwegig, dass der Kapitalist nur dann gewinnen kann, wenn die Arbeitskraft mehr Wert produziert, als sie verdient.
Eigentlich müssten wir uns also zusammentun und unsere Interessen im Betrieb, in dem wir tätig sind, in die Entscheidungsfindung miteinfließen lassen. Wir müssten über die gegebene Interessensvertretung hinaus eine Demokratisierung der Arbeitswelt anstoßen in der gilt: „eine Arbeitskraft, eine Stimme“. Denn in einem demokratischen Unternehmen wären Menschen nicht der Göttlichkeit des Unternehmers ausgeliefert und müssten jeden Funken ihrer Mitbestimmungsrechte auskosten, um überhaupt etwas zu bewegen. In einer demokratischen Arbeitswelt würden wirtschaftliche Interessen Hand in Hand mit sozialen Aspekten und politischen Ideen einhergehen.

Die Demokratie in einem Betrieb einführen kann nicht funktionieren? Aktiengesellschaften haben gewählte Vorstände, ebenso wie Vereine, die solide haushalten. Betriebliche Mitbestimmung hat nie der Gemeinschaft geschadet, sondern ganz im Gegenteil. Faire Arbeitsbedingungen verblassen und soziale Ungleichheit wächst dort, wo Mitarbeiter*innen besonders wenig mitzureden haben. Gewinne werden nach oben gespült, auch wenn es dem Unternehmen, der Lebensgrundlage vieler Arbeitnehmer*innen, schadet.

Wir haben nie angefangen, Menschen vor Profite zu stellen, weil wir noch nie gemeinsam der Meinung waren, dass wir alle der Betrieb, das Start-up oder der Konzern sind – und eben nicht nur die Führungsriege.

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Valentin Gashi
GRÜNE JUGEND Stuttgart